Circovirus
Ein neuer Impfstoff gegen Circovirus
Mit der Zulassung von Circovac für die Ferkelimpfung steht nun ein dritter Impfstoff in Deutschland zur Verfügung, der im Vorfeld zu vielen Diskussionen geführt hat.
Nicht wenige Tierärzte haben an der Wirksamkeit des Impfstoffes bei der Ferkelimpfung (0,5 ml) mit nur einem viertel der Sauendosis (2 ml) gezweifelt, obwohl es auch andere Impfstoffe gibt, die bei unterschiedlich alten Tieren mit unterschiedlichen Dosierungen erfolgreich eingesetzt werden und so auch offiziell zugelassen sind.
Dieser Beitrag soll Erfahrungen aufzeigen mit einer Variante der Ferkelimpfung, die seit 2008 im Rahmen der Zulassungserweiterung in Feldversuchen eingesetzt wurde. Die Ferkel wurden im Alter von 3 Wochen einmalig mit 0,5 ml des bereits für die Sauenimpfung zugelassenen Impfstoffes geimpft.
Allgemeines über Circovirus Typ 2 (PCV2)
Virusnachweise von PCV2 sind aus archiviertem Probenmaterial von 1984 gelungen. Ein ernsthaftes Problem wurde allerdings erst in den 90igern beobachtet, wobei die Zusammenhänge zunächst noch völlig im Dunkeln lagen. Vor allem „Kümmern nach dem Absetzen“ (PMWS) wurde zunächst verstärkt festgestellt, ohne dass Therapieversuche Erfolg zeigten.
Zum grundsätzlichen Verständnis des Problems mit Circoviren ist festzuhalten, dass die Tiere durch dieses Virus meistens nicht direkt erkranken. Das Virus wird über Urin und Kot, aber auch Sperma ausgeschieden und auf andere Tiere übertragen. Weitere Erreger (Sekundärerreger), gegen die sich das durch PCV2 angeschlagene Immunsystem nicht mehr erfolgreich wehren kann, kommen an dieser Stelle ins Spiel. Es sind aber auch „belastende Faktoren“ zu berücksichtigen, wie z.B. Überbelegung, mangelhafter Wasserzugang, schlechte Futterqualität, Stress durch Umstallung, Transport und Neugruppierung, gemeinsame Aufstallung verschiedener Altersgruppen, Rückversetzen von Ferkeln im Flatdeck in die nächste (jüngere) Gruppe. Diese Faktoren können entscheidend dafür sein, ob Schweine im Zusammenhang mit Circoviren und Sekundärerregern erkranken oder nicht.
Wiederholt beobachtet wird eine Erkrankungsform, die als PDNS bezeichnet wird. Sie zeigt sich optisch durch Verfärbungen der Haut, an Ohren und Schenkeln beginnend, und zieht ggf. über den ganzen Körper. Es kommt dabei zu einem Anstieg von „Giften“ im Blut, die ansonsten über die Nieren ausgeschieden werden. Hier gilt es die Tiere sofort aus der Gruppenhaltung heraus zu nehmen und ihnen Wasser über einen Trog anzubieten. Nur durch diesen leichten Zugang zum Wasser trinken sie genug und haben eine Überlebenschance. Eine antibiotische Behandlung dieser Tiere (z.B. mit Penicillin) ist völlig nutzlos. Ein Zusammenhang mit Circoviren ist übrigens bis heute noch nicht nachgewiesen und umstritten.
Das klinische Bild im Bestand kann sehr vielgestaltig sein. Ein „spitzer Rücken“ ist neben den PDNS-Veränderungen das auffälligste Symptom, aber auch Auseinanderwachsen der Tiere. Husten und Durchfall treten in Folge weiterer, sogenannter Sekundärinfektionen häufig auf und können den Verdacht wie auch Untersuchungsergebnisse in eine falsche Richtung lenken. So wird nicht selten Durchfall beobachtet, der optisch den Verdacht auf PIA lenkt und auch der Erreger (Lawsonia intracellularis) kann nachgewiesen werden. In einem solchen Fall ist die Sektion das einzige Mittel zur Klärung der Ursache.
Sekundärinfektionen werden durch Erreger verursacht, die ohne die PCV2-Infektion bzw. Immunschwächung folgenlos verlaufen wären. Man muss sich grundsätzlich darüber im Klaren sein, dass es kaum noch „die eine Ursache“ für eine bestimmte Erkrankung gibt. So ist bei erfolgreicher Infektion der Lunge mit einem Erreger (z.B. APP oder „Glässer“) das Immunsystem des Tieres grundsätzlich „angeschlagen“ und auch der Darm bzw. das Tier „als Ganzes“ ist betroffen. Es ist häufig nicht möglich einen „allein verantwortlichen“ Erreger dingfest zu machen. Vielmehr gilt es, dass „System Schwein“ wieder in den „Grünen Bereich“ zu bringen und dabei spielt die Impfung gegen Circovirus zur Stabilisierung des Immunsystems eine wichtige Rolle. Sie muss aber unbedingt spätestens 2 Wochen vor der Infektion erfolgen, die von Fall zu Fall zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen kann. Die Ermittlung des Infektionszeitpunktes in einem Bestand ist möglich durch die Untersuchung von Tieren verschiedener Altersgruppen auf bestimmte Antikörper (IgM und IgG) im Blut.
Eine Infektion kann auch bereits im Mutterleib erfolgen. Hier werden nur einzelne Ferkel infiziert, können sterben, mumifizieren, aber auch als symptomlose Dauerausscheider eine Infektionsquelle für andere Tiere bedeuten. An dieser Stelle greift allein die Sauenimpfung.
Eine mögliche Beteiligung von Circoviren an einer akuten Erkrankung von Tieren kann über die mengenmäßige (quantitaive) Feststellung von Viren im Blut (qPCR) festgestellt werden.
Mögliche Probleme durch PCV2
- PDNS (Haut- / Nierenform)
- PMWS (Kümmern nach dem Absetzen)
- Gräulicher Durchfall
- „Sudden death“ – plötzlicher Tod bei Mastschweinen
- Leber- u. Herzmuskelentzündung
- vermehrte Umrauscher
- Aborte, Todgeburten, Mumien,
- lebensschwache Ferkel
- Zitterferkel
- Ausflussprobleme
Aber auch andere Erkrankungen können durch die Schwächung des Immunsystems gefördert werden.
Impfstrategien
Mittlerweile sind verschiedene Impfstoffe auf dem Markt, wobei nur einer für Sauen und Ferkel und die anderen nur für die Impfung von Ferkeln zugelassen sind. Alle haben sie ihre Berechtigung und Wirksamkeit mittlerweile bewiesen. Wobei durch die großflächige Impfung erst jetzt deutlich wird, welche Effekte sie hat bzw. was die Circoviren für Probleme verursachen können. Eine Beteilung am MMA-Komplex der Sauen wird angenommen. Auch der negative Einfluss der Circoviren auf die Fruchtbarkeit ist durch die positiven Auswirkungen der Sauenimpfung erst so richtig deutlich geworden.
Die Impfung gegen PCV2 darf aber nicht als „Eier legende Wollmilchsau“ betrachtet werden. Andere Impfungen verlieren nicht ihre Berechtigung (z.B. gegen PRRS, Mykoplasmen oder APP) in Abhängigkeit zur individuellen betrieblichen Situation. Häufig wird ein Unterschied zwischen ungeimpften und geimpften Tieren gar nicht festgestellt, weil die Leistungsdaten (z.B. Mastdauer, Futterverwertung, tot oder lebensschwach geborene Ferkel) vor und nach der Impfung nicht erhoben werden.
Mit der alleinigen Sauenimpfung gegen Circoviren kann zwar eine Besserung der Problematik bei abgesetzten Tieren erwartet werden, nicht aber wenn die Infektion erst im Mastbereich „zuschlägt“. Im letzteren Fall kann nicht auf die Impfung der Ferkel verzichtet werden.
Grundsätzlich sollte die Sauenimpfung durchgeführt werden mit dem alleinigen Ziel der Verbesserung der Fruchtbarkeitsleistungen, was in vielen Betrieben bereits erfolgreich gelungen ist.
Schützende Antikörper von der Sau sind bei Ferkeln üblicherweise zeitlich begrenzt vorhanden. Dies ist jedoch der wichtigste Zeitraum – die ersten Lebenswochen bis in die Aufzucht -, da das Immunsystem der Ferkel besonders angreifbar ist und die Schäden nicht mehr nachträglich rückgängig gemacht werden können. Ist das Ferkel in dieser frühen Zeit geschützt und das Immunsystem somit intakt, so kann es seine eigene schützende Immunität gegen die überall vorhandenen Circoviren aufbauen und nur so lange ist das Immunsystem des Ferkels in der Lage, die Folgen bzw. Verlauf einer Infektion im Griff zu behalten.
Eigene Erfahrungen mit der Impfung von Sauen und Ferkeln deuten darauf hin, dass maternale Antikörper keinen negativen Einfluss auf die Ferkelimpfung haben.
Erfahrungen aus Feldversuchen mit dem neuen Impfstoff
Bei dem Betrieb handelt es sich um einen typischen mittelhessischen Bestand mit Tierhaltung in Altgebäuden und den damit verbundenen Unzulänglichkeiten. So befinden sich die abgesetzten Ferkel in einer Stallhülle und werden kontinuierlich aufgestallt, d.h. nicht nach Altersgruppen getrennt.
Die kontinuierliche Aufstallung führt zu einem erhöhten Infektionsdruck auf die Ferkel und zum Ausfall von ca. 20-30 % der Ferkel. Verschiedenste Maßnahmen haben unter den gegebenen Bedingungen nicht zum Erfolg geführt. Anfang 2008 wurden Ferkel zur Sektion gebracht, jedoch keine eindeutigen Ergebnisse auf PCV2 ermittelt. Antibiotische Behandlungen nach Antibiogramm ermittelter Erreger brachte keinen Erfolg. Erst über eine Blutuntersuchung (Screening) verschieden alter Ferkel im Aufzuchtstall konnte einen möglichen Zusammenhang mit PCV2 ermitteln.
Die Impfung der bereits einen Tag im Flatdeck eingestallten Tiere kam zu spät. Die Infektion hatte bereits stattgefunden, vor Eintritt der Schutzwirkung. Sie haben sich daher nicht besser entwickelt als die bisher ungeimpften Ferkel. Bei denen noch an der Sau geimpften Ferkel war der Effekt nach Umstallung ins Flatdeck jedoch sofort deutlich zu sehen. Das Auftreten der Atemwegsproblematik sowie das anschließende Kümmern war wie „abgeschnitten“. Geimpfte und nicht geimpfte Tiergruppen waren in ihrer Entwicklung deutlich auf den ersten Blick zu unterscheiden.
Aus diesem Ergebnis lässt sich schließen, dass die Tiere unbedingt spätestens 2 Wochen vor der Infektion mit Circoviren geimpft sein müssen. Nur so können sie bis zu diesem Zeitpunkt eine tragfähige Immunität entwickeln. Die Impfung der Ferkel spätestens 10 Tage vor der Umstallung ins Flatdeck hat sich in diesem Fall als optimal erwiesen.
Vergleichbare Erfahrungen konnten in weiteren Beständen gemacht werden. Auch in stark belegten Flatdecks, aufgrund von Absatzproblemen konnten nach Einführung der Impfung entscheidende Verbesserungen der Ferkelgesundheit nach dem Absetzen im Flatdeck erreicht werden.
In einem anderen Betrieb sind vermehrt Ferkel im Flatdeck an den allgemeinen Symptomen von PMWS (Kümmern nach dem Absetzen) erkrankt und z.T. verendet. Das Flatdeck wurde im Rein-Raus-Verfahren aufgestallt und war aufgrund damaliger Absatzprobleme und dem Wachstum der Sauenherde leicht überbelegt.
Die Impfung hat sich in allen Fällen als effektive Maßnahme gegen Circoviren erwiesen. Es können allerdings vereinzelt weiterhin Erkrankungen auftreten, da wie bei allen Impfungen niemals 100 % der Tiere mit einem vollständigen Impfschutz reagieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ferkel von ungeimpften Sauen durch frühe Circo-Infektionen betroffen sind. Daher ist die Feststellung des Infektionszeitpunktes u. U. in Einzelfällen empfehlenswert.
Untersuchungsergebnisse aus dem Labor
Im Rahmen von Untersuchungen im Labor wurden Ferkel im Alter von 3 Woche mit 0,5 ml Impfstoff einmalig geimpft. In einem anderen Stall wurden ungeimpfte Tiere der gleichen Gruppe gehalten. Beide Gruppen wurden später gezielt mit PCV2 infiziert.
Untersuchungen haben eine deutlich reduzierte Virusmenge im Blut der geimpften Ferkel nachgewiesen und auch eine verminderte Ausscheidung über den Kot. Bei den ungeimpften Kontrolltieren
Man muss dabei beachten, dass es nach der Impfung von Ferkeln bei allen Impfstoffen zunächst zu einer massiven Vermehrung von Viren im Blut kommt. Bei geimpften Tieren ist allerdings bereits nach wenigen Tagen ein deutlicher Abfall festzustellen und eine geringere Ausscheidung über den Kot.
Zusammenfassung
Die Zeitpunkte für eine Infektion können sehr unterschiedlich sein, beginnend mit der Infektion noch im Mutterleib der Sau, im Flatdeck oder auch erst Wochen nach Einstallung in die Mast.
Im Allgemeinen reicht die Analyse der Antikörper zur ungefähren Bestimmung des Infektionszeitpunktes aus und ob es z.B. Sinn macht, noch ungeimpfte Mastferkel nach Ankunft im Mastbetrieb zu impfen. Mittlerweile sind aber nahezu alle im Handel befindlichen Ferkel geimpft.
Die mit dem neu verfügbaren Impfstoff geimpften Ferkel in Problembeständen haben sich sofort deutlich besser entwickelt. Ein Unterschied war unmittelbar zwischen den ersten geimpften Ferkeln im Vergleich zu den davor ungeimpften Tieren zu erkennen. Das Auftreten von Atemwegsproblemen im Rahmen von PMWS war wie „abgeschnitten“. Auch in anderen Problembeständen hat sich die Impfung mit dem nun auch für Ferkel zugelassenen „Sauenimpfstoff“ als erfolgreich gezeigt.
Sogar die Impfung in kleineren Betrieben mit hohem Infektionsdruck aufgrund kontinuierlicher Einstallung im Aufzuchtstall brachte eindeutig positive Ergebnisse.
Auch die Impfung von Ferkeln geimpfter Sauen hat sich als erfolgreich bewiesen.
Bisher konnte keine mangelhafte Wirksamkeit des neuen Impfstoffes nachgewiesen werden. Auch die über 10.000 Ferkel, die an verschiedene Mastbetriebe über eine westfälische Vermarktungsgesellschaft geliefert worden sind, ergaben keine negativen Rückmeldungen. Daraus lässt sich schließen, dass auch maternale Antikörper durch die Sauenimpfung keine „abschwächende“ Wirkung haben auf den Impferfolg der Ferkel mit dem gleichen Impfstoff.
Entscheidend ist in jedem Fall allein, dass die Ferkel spätestens 14 Tage vor der Infektion geimpft werden und Zeit genug haben, eine Immunität zu entwickeln.
©Franz-Josef Koch